Suche
Close this search box.

Smart City braucht smarte Entwicklungsprozesse

Wie können Orte entwickelt werden, die langfristig identitätsstark, integrativ und lebenswert sind? Laut Matthias Tobler, Vorstandsmitglied von Smart City Bern, braucht es dazu vor allem eines: Prozessinnovation!

«Die gängige Art der Arealentwicklung passt perfekt zu einer Welt, die es nicht mehr gibt», sagt Matthias Tobler. Er ist Mehrfach-Gründer von Impact-Unternehmen und baut an zukunftsweisenden Organisationen und Quartieren. Mit der Wohnbaugenossenschaft Urbane Dörfer initiiert er gesellschaftsrelevante Areal-Transformationen. Zudem ist er Mitgründer des Prozessbegleiter-Netzwerks Urbane Reformer:innen, welches mit interdisziplinären Teams Quartiere und Organisationen in der Transformation begleitet.

Von linearen zu iterativen Prozessen

Die Prozessbegleiter verbinden die linearen SIA-Entwicklungsphasen mit einem informellen Innovations- und Community-Building-Prozess. «Zwei Kernelemente unserer Arbeit sind der frühe Aufbau der Nutzergemeinschaft und das schnelle Testen von Nutzungsideen», erklärt Tobler. Das übliche Wasserfall-Prinzip, das von einem Konzept über Pläne zur Umsetzung führt, ersetzen sie durch einen kokreativen Prozess mit iterativen Lernschleifen. Tobler fasst zusammen: «In Zeiten des Wandels zählt nicht der beste Plan, sondern das schnelle Lernen – gemeinsam mit den Nutzenden, in realen Tests. Proben ist oft das bessere Planen».

Nutzende als treibende Kräfte

Smart Cities entstehen, wenn sie smart entwickelt werden. Das bedeutet vor allem, dass die Stadt-Nutzenden aktiv in den Prozess einbezogen werden. Es geht nicht darum, eine smarte Stadt für die Menschen zu gestalten, sondern mit ihnen. Saskia Sassen, Professorin für Soziologie an der Columbia University in New York, bringt es auf den Punkt: «Smart Cities funktionieren dann, wenn sie es schaffen, die Intelligenz ihrer Bewohner einzubeziehen.»

Placemaking als Schlüssel

Dieser Miteinbezug und das iterative Vorgehen spiegeln sich im Placemaking-Ansatz wider, der in den 1980er Jahren in den USA aufkam. Placemaking vereint drei Entwicklungsdimensionen:

  • Orgware – die Nutzenden und ihre Organisation
  • Hardware – die Architektur und der physische Raum
  • Software – die Nutzung und die Aktivitäten

Diese Dimensionen laufen nicht sequenziell ab, sondern werden gleichzeitig in einem kokreativen Wechselspiel mit offenem Ausgang entwickelt. Zu Beginn entwickeln engagierte Pionier*innen erste Ideen und testen sie mit kleinen Interventionen («Prototyping»). Finden diese Resonanz, entsteht eine positive Dynamik und eine lokale Community. Schritt für Schritt kann so eine ambitionierte Vision entstehen und Realität werden.

Damit wird Architektur auch zum Ergebnis sozialer Prozesse und getesteter Nutzungskonzepte. Oder wie es der dänische Stadtplaner Jan Gehl formulierte: «Erst das Leben, dann der Raum und zuletzt die Bauten.»

Sechs Bausteine des Placemakings

Tobler verweist auf das Netzwerk Placemaking Switzerland, das er mitgegründet hat. Ausgehend von den drei Dimensionen Software, Hardware und Orgware definiert Placemaking Switzerland sechs Bausteine, die für gute Orte typisch sind (vgl. Diagramm). Diese Systematik dient in erster Linie als Inspirationsquelle und Diskussionsgrundlage – nicht immer sind alle Bausteine gleich relevant, doch je mehr davon erkennbar sind, desto eher lässt sich von Placemaking sprechen.

Die drei Dimensionen und sechs Bausteine des Placemakings

«Co-Kreation» unterscheidet sich grundlegend von «Partizipation»: Statt lokale Betroffene lediglich nach ihren Meinungen oder Wünschen zu befragen, werden engagierte lokale «Laien» als Schlüsselakteur*innen und Alltagsexpert*innen von Anfang an auf Augenhöhe einbezogen. Diese verfügen über einzigartige Ressourcen, wie etwa Nachbarschaftskontakte, tägliche Präsenz vor Ort, hohe Glaubwürdigkeit, Vorwissen, frische Ideen, Leidenschaft und Zeit.

Abschliessend meint Tobler: «Placemaking schafft eine gemeinsame Sprache für intelligente Wege in der Stadtentwicklung und baut Brücken zwischen klassischer Planung und nutzergetriebenen, bottom-up-Projekten. Es ermöglicht Menschen, selbst zu Gestaltern ihrer Nachbarschaft zu werden, und schafft Räume, die nicht nur physisch, sondern auch emotional und sozial verankert sind.»

 

Mehr Information:



Vorstand Matthias Tobler Smart City Verein Bern
Autor*in: Matthias Tobler