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Smart City und die Vision des Glücks

Eine Smart City ist eine innovative und nachhaltige Stadt. Eine Smart City ist aber noch mehr: Sie strebt nach einer Lebensqualität, die sich im Glück und der inneren Zufriedenheit der Bevölkerung spiegelt. Boyd Cohen und Rob Adams, Erfinder des Smart City Wheels und des «Happy Cities Hexagon», sind überzeugt, dass Städte auf Glück der Menschen ausgerichtet sein sollten und nicht auf Technologie oder Effizienz: «Wir glauben an die gemeinsame Schaffung von lebendigen, einnehmenden und glücksstiftenden Räumen, um die Welt zu einem glücklichen Ort zu machen.»

Doch kann eine Stadt «glücksorientiert» entwickelt werden? Cohen und Adams treiben menschenzentrierte Innovationen an, deren Fokus nicht auf der Umsetzung liegt, sondern in einer kontinuierlichen Suche nach dem, was die Zukunft bringt, wie Veränderungen positiv genutzt werden können. Sie gehen nicht vom technisch Machbaren, sondern vom Bedürfnis der Menschen nach Glück und der Wirkung von Massnahmen beim Menschen aus. Eine Stadt soll nach dem Modell des «Happy Cities Hexagon» die Bedürfnisse nach Sicherheit und Gesundheit, nach einem einfachen Zugang zu Services, Bildung und Wohnraum, nach Grünräumen und sauberer Luft, guten sozialen Beziehungen, geteiltem Wohlstand und einer lebendigen Kultur für alle befriedigen. Damit sollen die bestmöglichen Bedingungen geschaffen werden für das individuelle Streben der Menschen nach Glück und innerer Zufriedenheit.

Smart City 3.0 – das Beispiel Barcelona

Die katalanische Metropole Barcelona ist mit ihren märchenhaften Parks, der Sagrada Familia und ihren Museen nicht nur ein Touristenmagnet, sie gehört auch zu den Vorreitern der Smart-City-Bewegung. Man findet sie immer wieder in den Top 3 der weltweit führenden Kommunen für intelligente Stadtplanung, zusammen mit Städten wie Singapur, Wien, San Francisco und Kopenhagen.

Am Anfang setzte Barcelone digitale Technologien und das Internet der Dinge (IoT) ein, um kommunale Abläufe bürgerfreundlich zu optimieren. Barcelona nutzt heute intelligente Sensoren und Big-Data-Analysen für verschiedenste Anwendungen; von der Parkplatzbewirtschaftung und dem Verkehrsmanagement über die Kehrichtabfuhr bis hin zur Überwachung der Luftqualität und Bewässerung von Grünanlagen.

Doch Barcelonas Stadtverwaltung hat entschieden, noch einen weiteren Schritt zu gehen, hin zu einer Smart City der nächsten Generation.

Das Smart-City-Konzept ist zwar noch relativ neu, kennt aber bereits verschiedene Entwicklungsstufen. Stufe 1.0 ist gekennzeichnet durch eine technologisch ausgerichtete Entscheidungsfindung im Top-Down-Ansatz. Ein gutes Beispiel dafür ist die südkoreanische Stadt Songdo.

Stufe 2.0 orientiert sich stärker an einem Bottom-Up-Ansatz, bei dem unter Einbezug von Bürgerinnen, Bürgern und Politik Technologien ausgewählt werden, die realen Bedürfnissen gerecht werden.

Smart City 3.0 ist der Versuch, Bürgerbeteiligung eng mit Behördenzielen und neuen Technologien zu verknüpfen. Francesca Bria, Chief Technology Officer (CTO) der Stadt Barcelona, setzt daher auf eine «Strategie für digitale Souveränität». Sie ist überzeugt, dass die Bevölkerung in die Entwicklung neuer Lösungen einbezogen werde muss – indem sie den Bürgerinnen und Bürgern zeigt, wie intelligente Technologien ihre Lebensqualität verbessern können.

Daten, für Stakeholder «on demand» verfügbar

Barcelona hat auf dem Weg zur Smart City 3.0 eine neue Dateninfrastruktur entwickelt. Diesebesteht erstens aus Sentilo, einer Open-Source-basierten Datenerfassungs- und Sensorplattform; zweitens aus CityOS, einer Open-Source-Plattform zur Analyse von Daten und drittens aus verschiedenen Service-Apps, die den Zugriff auf die Daten erleichtern.

Diese integrierte Kontrolle dient der Demokratisierung der Daten. Die neue Plattform und alle darin enthaltenen Daten gehören der Stadt und können von den Stakeholdern, d.h. den Bürger*innen, Unternehmen und weiteren Interessierten, genutzt werden. Stadt und Bevölkerung entscheiden über den Zugriff, den Datenschutz und die weitere Verwendung der Daten.

Barcelona Digital City

Die Stadt Barcelona bietet ihren Bürger*innen die Möglichkeit, digitale Technologien auszuprobieren und zu teilen. Damit betreibt sie digitale Demokratisierung: Wenn Bürgerinnen und Bürger mehr technologische Kompetenz besitzen, so die Überzeugung, verstehen sie besser, wann und wie Technologien nützlich sein können.

Die eigens entwickelte Website «Barcelona Digital City» wurde in drei Teile aufgeteilt:

  • Digitale Bildung beinhaltet vor allem die Förderung wissenschaftlicher und technischer Kenntnisse von Kindern, z.B. in Form von FabLabs, bei denen Fähigkeiten zur Zusammenarbeit geübt werden, die es für eine innovative Nutzung neuer Technologien braucht.
  • Mit der App «VinclesBCN» schaffen Seniorinnen und Senioren den Einstieg in die digitale Welt: Sie können sich so privat und sozial vernetzen – eine intelligente Form digital gestützter Inklusion.
  • Decidim ist eine experimentelle Plattform für das Teilen von Ideen und zum Testen ihrer Praxistauglichkeit. Gemeinsam entwickelte Ideen sollen mit Unterstützung der Bevölkerung später auch umgesetzt werden.

Superblocks – kleine Dörfer in einer grossen Stadt

Der Stadtplaner Salvador Rueda hat eine neue, menschenfreundliche Vision für Barcelona entwickelt: Die Stadt soll nicht nicht mehr von Autos dominiert werden, sondern durch sichere, miteinander verbundene «Superblocks» funktionieren – fussgängerfreundliche Wohnquartiere mit öffentlichen Räumen, in denen sich die Bürger*innen treffen können. Jede Bewohnerin, jeder Bewohner Barcelonas hat Zugang zu seinem eigenen Superblock und kann die Stadt durchqueren, ohne ein Auto zu benötigen.

Das Schöne an Ruedas Vision: Sie wird von der Stadtverwaltung unterstützt und umgesetzt. Das ehrgeizige Ziel: aus fünf bereits vorhandenen Superblocks 500 zu machen.

Superblocks umfassen die virtuelle Schaffung kleiner Dörfer in einer grossen Stadt. Autoverkehr ist zulässig, jedoch nur mit geringer Geschwindigkeit und unter Beachtung weiterer Beschränkungen. Da der meiste Verkehr jedoch eliminiert wird, bewegen sich auf den Strassen viele Menschen.

Barcelona ist innerhalb Europas zu einem Labor und Leuchtturm für Smart Cities geworden. Davon können andere Städte profitieren, auch in der Schweiz.

Wo steht die Stadt Bern?

Bern steht wie andere Städte vor grossen Herausforderungen. Die fortschreitende Digitalisierung des Alltags, der Arbeitswelt und der Ausbildung, der demographische Wandel, die wachsende Mobilität, der Klimaschutz sowie die Umsetzung der Energiestrategie 2050 und der 2000-Watt-Gesellschaft müssen auch von der Stadt Bern umfassend angegangen werden. Hinzu kommt eine zunehmend ältere Bevölkerung, die smarte Lösungen für ihre Wohnbedürfnisse erfordert. Der digitale Wandel, die fortschreitende Automatisierung, Open Data, die breitbandige Vernetzung von Bewohner*innen und Dingen (IoT) bieten grosse Chancen und neue, bürgernahe Lösungsansätze.

Andere Schweizer Städte wie Basel, Aarau, Zug, Winterthur, Zürich, Wil und St. Gallen haben bereits Smart-City-Strategien formuliert. Die Stadt Thun ist zurzeit daran, eine solche zu entwickeln. Die geplante Smart Regio Thun schliesst auch Nachbargemeinden mit ein.

In der Stadt Bern gibt es zwar einzelne Digitalisierungs- und Innovationsprojekte, aber noch keinen umfassenden Ansatz, die Stadt (und Region) Bern in Richtung Smart City zu entwickeln. Dazu braucht es politische Rahmenbedingungen und den Einbezug aller Stakeholder. Wichtige Stichworte sind: Nachhaltigkeit, sozialverträgliche Digitalisierung, Kreislaufwirtschaft, innovative Mobilitäts-, Energie-, Wärme- und Recyclingkonzepte, bürgerorientierte Verwaltung, Partizipation, soziale Inklusion und generationenübergreifendes Wohnen. Ziel ist eine Stadt mit hoher Lebensqualität, welche die Bedürfnisse der Bevölkerung erfüllt und umfassende Innovationen verwirklicht.

Der Smart City Verein Bern setzt sich mit aller Kraft dafür ein, Stadt und Region Bern zu einer Smart City bzw. zu einer Smarten Region zu machen. Dies ganz im Sinn der Vision von Boyd Cohen und Rob Adams, die bereits hohe Lebensqualität der Bundesstadt und der Nachbargemeinden gezielt zu verbessern – und damit auch das Glück und die innere Zufriedenheit der Bevölkerung. Digitalisierung ist dabei kein Selbstzweck, sondern soll gezielt zur Befriedigung sozialer Bedürfnisse eingesetzt werden. Unsere Stadt sollte lebendige, grüne und verkehrsberuhigte Räume schaffen, in denen die Bernerinnen und Berner einander sicher und angstfrei begegnen können.

Smart City Verein Bern Felix Adank
Autor*in: Felix Adank – Geschäftsführer Smart City Verein Bern