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Das elektronische Patientendossier: sicher und sinnvoll

Am 17. November 2020 wurde in der Schweiz der erste Anbieter eines elektronischen Patientendossiers (EPD) zertifiziert. Dem Start des Projekts steht nichts mehr im Weg und die Digitalisierung im Gesundheitssektor macht mit dem EPD einen weiteren Schritt in Richtung Zukunft.

Das elektronische Patientendossier (EPD) enthält als virtuelle Behandlungsmappe alle relevanten Informationen zur Gesundheit. Man kann jederzeit darauf zugreifen, und es erfüllt hohe Datenschutzanforderungen. Weiter trägt es dazu bei, die medizinische Behandlungsqualität zu verbessern und die Kommunikation der beteiligten Gesundheitsfachleute zu vereinfachen. Nachfolgend fasse ich die wichtigsten Punkte zum EPD zusammen.

Sicherheit vor Pünktlichkeit

Die «eHealth-Strategie 2.0» ist eine von zwei Strategiepapieren, die das BAG in den kommenden Jahren leiten. Bund und Kantone halten darin fest, wie sich die Digitalisierung im Gesundheitsbereich in den Jahren 2018 bis 2022 gestalten soll. Trotz einer hohen Behandlungsqualität werden heute viele Möglichkeiten und Mehrwerte der Digitalisierung noch nicht ausgeschöpft.

Das elektronische Patientendossier ist das Kernelement der «eHealth-Strategie 2.0» und eine der grossen Baustellen des BAG. Nach Stand der Dinge wird das EPD im Jahr 2021 starten. Der aufwändige Zertifizierungs- und Akkreditierungsprozess der zuständigen Stammgemeinschaften hat den Starttermin in der Vergangenheit mehrfach verzögert. Um Datenschutz und Sicherheit des EPD zu gewährleisten, wurden strenge Zertifizierungsrichtlinien bestimmt. Diese haben mehr Zeit und Ressourcen benötigt als ursprünglich geplant. Hohe Sicherheit auf Kosten der pünktlichen Einführung: Ein Kompromiss, der sich gelohnt hat.

Datenschutz als oberstes Gebot

Wie bei jedem digitalen Tool ist der Datenschutz auch beim EPD von entscheidender Bedeutung. Im Bundesgesetz zum elektronischen Patientendossier (EPDG) hat der Gesetzgeber verschiedene technische und prozessuale Schritte kombiniert, um die Datensicherheit des EPD zu gewährleisten:

  • Das Login zum EPD entspricht den aktuellen Standards und ist sogar sicherer als das heutige Login zum E-Banking.
  • Das weltweit sicherste Berechtigungssystem erlaubt es Patient*innen, genau zu bestimmen, wer auf welche Daten zugreifen kann.
  • Jeder Zugriff zum EPD wird in einem Protokoll erfasst, und der Patient / die Patientin wird darüber informiert.
  • Die Daten werden dezentral gespeichert und aufbewahrt.
  • Das Gesundheitspersonal und die Verantwortlichen in den Stammgemeinschaften werden über den Umgang mit sensitiven und sensiblen Daten geschult.
  • Es gibt die Möglichkeit, Dokumente zu «verstecken».
  • Patientinnen und Patienten behalten die Hoheit über ihre Daten.

In Notfallsituationen können registrierte Gesundheitsfachpersonen auf die EPD-Daten zugreifen, ohne dass zuvor eine Berechtigung erteilt wird. Doch selbst dieser sogenannte «Notfallzugriff» kann deaktiviert werden.

Vorteile für beide Seiten

Das EPD bildet den Kern der schweizerischen «eHealth-Strategie». Es berücksichtigt die Bedürfnisse der verschiedenen Anspruchsgruppen und bildet zugleich die Basis für weitere Innovation im Gesundheitsbereich. Für Patient*innen liegen die Vorteile vor allem in der zentralen Ablage der medizinischen Informationen. Während diese Daten heute überall dort verteilt sind, wo die Patientin / der Patient in Behandlung war, sind sie dank dem EPD jederzeit zugänglich. Gleichzeitig erfüllt das EPD höchste Sicherheitsanforderungen und garantiert den Nutzer*innen, dass sie die Kontrolle über ihre Daten behalten.

Aber auch die Arbeit des Gesundheitspersonals wird mit dem EPD erleichtert. Durch die virtuelle Vernetzung werden Prozesse und Kommunikation innerhalb und zwischen den Spitälern, Spitex-Organisationen und Arztpraxen stark vereinfacht: Wichtige medizinische Informationen stehen schnell zur Verfügung, allfällige Gesundheitsrisiken können von Beginn weg in die Behandlung einfliessen, und der Austausch zwischen Fachpersonen wird automatisiert. Das zeitraubende Zusammentragen einer Krankengeschichte entfällt.

Die Einführung eines EPD für ambulante Gesundheitsbetriebe (z. B. Arztpraxen, Spitex) ist freiwillig. Dennoch hoffen wir, dass sich das neue Behandlungsinstrument bald schweizweit durchsetzt und sich sein Mehrwert schnell zeigt.

Unterstützung im Kampf gegen die Pandemie?

Die Frage liegt auf der Hand, ob das EPD auch im Kampf gegen eine künftige Pandemie helfen kann. Eine allumfassende Antwort gibt es nicht, denn jede Pandemie hat eine eigene Charakteristik und braucht ein spezifisches Handeln. Im Fall der aktuellen Covid-19-Krise hätte das EPD nur einen begrenzten Nutzen gehabt: So hätte die Behandlung eines Intensivpatienten dank EPD rascher abgestimmt werden können. Für die nahe Zukunft ist es interessant, Testergebnisse und Laborbefunde via EPD einsehbar zu machen. Das könnte so weit führen, dass ein negativer Test auf dem Smartphone als Beleg für gewisse Aktivitäten zählen kann.
In jedem Fall muss das elektronische Patientendossier von der Schweizer Bevölkerung breit genutzt werden, damit allfällige Vorteile im Pandemiemanagement auch verwertet werden können.

Ein Blick in die Zukunft

Das EPD wird in der Schweiz schrittweise eingeführt und stetig weiterentwickelt. Anfänglich besteht es hauptsächlich aus einer Sammlung von PDF-Dateien. Mittelfristig soll es dann möglich sein, die Daten im EPD strukturiert abzulegen und sie damit für Maschinen und IT-Systeme lesbar zu machen. In einem weiteren Schritt könnten die Daten aus dem EPD auch für Forschungszwecke «gespendet» werden. Zum aktuellen Zeitpunkt wird innerhalb des BAG die Möglichkeit evaluiert, das EPD auch als offiziellen Nachweis für Impfungen oder einen negativen Covid-Test einsatzfähig zu machen.

Das EPD ist bereit – jetzt müssen Sie es nur nutzen

Mit der Umsetzung des EPD möchte das BAG der Bevölkerung ein sicheres, sinnvolles und nützliches Tool für ihr persönliches Gesundheitsmanagement zur Verfügung stellen. Es ist mir als Leiter der Abteilung Digitale Transformation sehr wichtig, dass jede Bürgerin und jeder Bürger selber entscheiden kann, ob sie oder er ein Dossier eröffnen und nutzen möchte. Zentral ist die Aufklärung und Information der Bevölkerung: Jedermann soll die Mehrwerte und die Risiken des EPD selbst einschätzen und abwägen können. Aus diesem Grund startet parallel zur Einführung eine grosse Informations- und Aufklärungskampagne mit dem Ziel, die Bevölkerung im Umgang mit dem EPD zu sensibilisieren. Bereits heute stellen die Stammgemeinschaften sowie die Fachstelle «eHealth Suisse» vielfältige Informationsangebote für die Bevölkerung und für Gesundheitsfachpersonen zur Verfügung (www.patientendossier.ch).

Meine Botschaft an die Leserinnen und Leser dieses Blogs: Nutzen Sie das EPD, es verhilft Ihnen, aber auch ihren Behandelnden für eine bessere und sichere Behandlung!

Sang-II Kim Experte Smart City Verein Bern
Autor*in: Dr. Sang-Il Kim - Leiter Abteilung Digitale Transformation beim Bundesamt für Gesundheit BAG